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On-the-Job-Coaching

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Referenzprojekt:

Ein produzierendes Unternehmen mit weltweit 20.000 Mitarbeiter*innen und verschiedenen Produktions- und Servicestandorten strukturierte seinen Logistikbereich um. Zur effizienten Umsetzung der Maß­­nahmen wurden die Führungskräfte durch Sitzungsbeobachtung mit Feedback und Moderations­training, Ein­zel­­­coachings und Workshops unterstützt. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass das Coaching nicht losgelöst vom Tagesgeschäft, sondern in den Arbeitsalltag eingebunden wurde –  eben: „On-the-Job".

Ausgangssituation:
Der Coachingprozess wurde im August gestartet und Ende Dezember abgeschlossen, wobei ich jeweils zwei Tage pro Woche als in das Team integrierter Coach mitarbeitete. Die Abteilung bestand anfangs aus vier Führungskräften mit einer Führungsspanne zwischen null und neun Mitarbeiter*innen. Sie wird bis Dezember auf neun Führungskräfte mit einer Führungsspanne zwischen zwei und 31 Mitarbeitern anwachsen. Die Einordnung der Logistikabteilung in die Unternehmensorganisation und die Führungsstrukturen werden sich während dieser Zeit ebenfalls verändern.

Die Zielvorgaben, z.B. umfassende Lagerbestands- und Kostenreduzierung, wurden vom Abteilungsleiter von Anfang an als realisierbar akzeptiert. Seine Führungskräfte teilten diese Auffassung jedoch im August noch nicht. Konsens war jedoch, dass das Unternehmen zu hohe Lagerbestände habe und dass sich etwas ändern müsse. Die Vorgehensweise des Abteilungsleiters wurde von seinen Führungskräften als „zu wenig auf die Unternehmenskultur abgestimmt“ und die Verhaltensweise des Vorgesetzten als zu aggressiv bezeichnet. Dieser wiederum vermisste bei seinen Führungskräften unternehmerisches Denken und Agilität. Sein Wunsch war es, sowohl an seinem eigenen Führungsstil zu arbeiten als auch seine Führungskräfte durch ein On-the-Job-Coaching besonders zu fördern. Seine Vision war: Mit einem überdurchschnittlich guten Team die hohen Zielvorgaben zu erreichen und die Logistikprozesse unternehmensweit zu optimieren.
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Coachingprozess und Erfolg:
Ausgangspunkt für alle Coachingprozesse war ein wöchentlicher Jour Fixe, an dem alle abteilungsinternen und -externen Logistikpartner*innen teilnahmen. Ziel dieses Kreises war, bei allen Führungskräften Wissen über das neue Logistikprogramm aufzubauen, sich zu organisieren und die vielen Unterprojekte zu steuern. Die dreistündigen Sitzungen wurden von den Teilnehmer*innen vorwiegend als interessant, aber frustrierend und von vielen als zu lang empfunden.

Um den Coachingbedarf zu ermittelten, führte ich Einzelgespräche mit allen Führungskräften. Dadurch wurde ich Mitwisserin aller Probleme, alle wussten dies und hatten mir erlaubt, ihre Kritik in den Jour Fixe einzubringen.  Ich fasste die Schwerpunkte zusammen und meldete sie nach und nach als normale Tagesordnungspunkte an. Dadurch wurde es ein selbstverständlicher Teil des Tagesgeschäfts, an der Weiterentwicklung des Teams zu arbeiten und sich neu zu organisieren.  Das Zusammenwirken des Teams verbesserte sich und Konflikte wurden geklärt. Dies wiederum stärkte die Selbstständigkeit und Agilität der Einzelnen.

Beispiel 1: Das Team litt unter einer wütenden Äußerung des Abteilungsleiters („Was haben wir bisher erreicht? Nichts!“). Aus Sicht des Teams wurden die Teilerfolge von der Führung und den Kolleg*innen nicht wahrgenommen und daher auch nicht geschätzt. Im Rahmen des Jour Fixe veranschaulichte das Team anhand einer Zeitleiste diese Teilerfolge. Alle Beteiligten waren daraufhin überrascht, wieviel sie als Team schon erreicht hatten. Diese Erkenntnis erzeugte neue Motivation für die weitere Arbeit. Zitat: „Das war das Erste, was wir hier abgeschlossen haben. Das hat mich so motiviert - jetzt schaffen wir den Rest auch noch.“

Beispiel 2: In einem nächsten Schritt strukturierte das Team seinen Jour Fixe neu. Es wurde eine Zweiteilung der Sitzung in einen abteilungsinternen und einen bereichsübergreifenden Teil mit erweitertem Teilnehmerkreis beschlossen. Erst ab diesem Zeitpunkt wurde der Jour Fixe von allen Teammitgliedern als zentrales Forum akzeptiert, das keine lästige Pflichtveranstaltung ist, sondern die Möglichkeit bietet,  das Projekt voranzutreiben, Knowhow aufzubauen und an die Partner*innen weiterzugeben. Zusätzlich wurde eine rollierende Moderation und Protokollführung eingeführt, um allen die Möglichkeit zu geben, Gesprächsleitung zu trainieren und dazu Feedback von mir zu erhalten. Durch meine regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen, wurde ich von den Teammitgliedern mehr und mehr als wichtige Hilfestellung gesehen, um ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und zu verbessern.

Für mein Feedback zu Moderation, Präsentation, Verhalten und Gruppendynamik wählte ich pro Sitzung zwei oder drei Beobachtungen aus. Dadurch konnte ich mich auf markante Ereignisse beziehen und Konflikte sofort offen ansprechen. Da sich diese Lernsituation wöchentlich wiederholte, wurde sie normal. Ich führte dabei vor, wie Konflikte konstruktiv angesprochen werden können und reflektierte dies auf Metaebene für alle hörbar mit einer Mischung aus Kongruenz, Empathie und Wertschätzung. Dadurch wurden individuelle Probleme mit Respekt sich und anderen gegenüber gelöst und die Sozialkompetenz der Teammitglieder gestärkt. Diese Persönlichkeitsentwicklung der Teilnehmer*innen zeigte sich nicht nur im Jour Fixe, sondern auch in der täglichen Zusammenarbeit.

Persönliche Rückmeldungen, für die ich mir eine geschützte Gesprächs­situation wünschte, lagerte ich in Einzelgespräche aus. Da meine Anwesenheit schnell als selbstverständlich akzeptiert wurde,  konnte ich nach der Sitzung einzelne Teilnehmer*innen problemlos zu einem separaten Gespräch bitten. Während die Ersten noch ein wenig erschrocken reagierten, freuten sich die Coachingteilnehmer*innen nach ein paar Wochen „wenn ich etwas für sie hatte.“ Nach einigen Wochen kamen Einzelne von sich aus auf mich zu, um z.B. ein anstehendes Gespräch mit mir vorzubesprechen oder sich für eine schwierige Moderation beraten zu lassen. Zitat: „Ich mache das, um etwas zu lernen.“ Sie hatten erkannt, wie nützlich es ist, die eigenen Gefühle und die tatsächlichen (unbewussten) Standpunkte zu reflektieren, um Handlungsalternativen im Voraus abwägen zu können.

Parallel zu dem Coachingprozess für das gesamte Team wurde für vier Führungskräfte (einschließlich des Abteilungsleiters) ein Einzelcoaching durchgeführt. Ein großer Vorteil dabei war, dass ich alle vier Führungskräfte bereits als Teilnehmer*innen im o.g. Jour Fixe – also „On-the-Job“ erlebt hatte und meine Beobachtungen daraus in die vertraulichen Gespräche einfließen konnten.

Diese Akzeptanz für das On-the-Job-Coaching führe ich nicht nur auf meine regelmäßige Anwesenheit und meine Kompetenzen zurück, sondern auch auf die Konsequenz, mit der der Abteilungsleiter hinter dem Coachingprozess stand, Ressourcen dafür bereitstellte und dies auch offen kommunizierte. Er nahm persönliche Feedbacks im Jour Fixe an und stellte sich einem intensiven Einzelcoaching. Dadurch vermittelte er seinen Mitarbeiter*innen und dem Unternehmen: Meine Führungskräfte sind mir diese Coachingmaßnahme wert.

Wie sehr die Teammitglieder jetzt hinter ihrem Chef stehen und von den positiven Effekten des On-the-Job-Coachings überzeugt sind, beschreibt am besten die Reaktion einer Führungskraft aus dem Logistik-Team auf die skeptische Anfrage eines Kollegen aus einem anderen Unternehmensbereich im Jour Fixe: „Können wir das nicht ohne Coach?“ Antwort: „Nein, wir können es nicht allein. Aber ich würde mir wünschen, mehr Führungskräfte aus dem Haus würden sich dies eingestehen und sich professionelle Hilfe holen.“

Resümee:

Unternehmen benötigen Führungskräfte, die unternehmerisch denken und die dabei erfolgreiche Projekt- und Prozessmanager sind. Sie müssen fähig sein, durch ihre soziale Kompetenz Ver­änderungen voranzutreiben und dabei mit ihren Fach- und Methodenkompetenzen Unternehmen zu gestalten. Sie müssen Ihre Mitarbeiter*innen und Prozesspartner*innen zu Mitstreiter*innen für die Sache machen. Und um diesen Ansprüchen zu genügen, müssen sie sehr belastbar sein.

Das Projekt„On-the-Job-Coaching“ arbeitete anhand beruflicher Themenstellungen an diesen Zielen und förderte damit die Entwicklung des Einzelnen und des Teams. Die Erfolge dieser Logistikabteilung lassen sich inzwischen auch in Zahlen messen.