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Gespräch mit Max: "Oder was macht eigentlich ein Coach?"

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Situation:

Der Oberstufenschüler Max (17 Jahre) eines Münchner Gymnasiums interviewte mich für ein Referat, in welchem er seinen Mitschülern den Beruf des Management-Coachs vorstellen will. Nach Abhandlung der zu erwartenden Fragen („Was macht ein Coach?"„Welche Ausbildung braucht man?" „Welche besonderen Fähigkeiten benötigt man?" ...) hatte Max noch einige provokante Fragen für mich parat.

Gesprächsausschnitt (Gedächtnisprotokoll):

Max:    Kommunizieren Coaches besser als Ihre Klienten?

Fink:    Hm, drehen wir es um. Ich als Coach interessiere mich dafür, warum ein Coachinggespräch so ver­­lief, wie es eben verlaufen ist und welchen Anteil jeder Gesprächsteilnehmer und vor allem ich selbst daran hatte. Deshalb reflektierte ich Gesprächssituationen regelmäßig in einer fes­ten Supervisionsgruppe. Das ist eine Runde von Therapeuten und Beratern, die sich im festen Tur­nus trifft, um „Fälle" mit Kollegen zu diskutieren. Durch diese laufenden Analysen wird man mit den Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten, sehr aufmerksam und kann die verschiedenen Schlüs­selerlebnisse mit der Zeit immer einfühlender beim Klienten an­sprech­en. Verwechseln Sie das aber bitte nicht mit „drum herum reden". Ich spreche von klaren und trotz­dem ein­fühl­samen Worten. Privat, befürchte ich, sind Coaches auch nur Menschen. Es besteht also schon ein Unterschied zwischen professioneller und privater Kommunikation.

Max:    Aha, dann ist ein sehr professionell kommunizierender Coach also auch gleich ein älterer Coach?

Fink:    Wo fängt denn bei Ihnen „älter" an? 

Max:    . . .

Fink:    Das ist eine raffinierte Frage, und politisch korrekt wäre eine Antwort, die das Wort „indi­vi­du­ell" enthält. Aber davon mal abgesehen: Es dauert einfach seine Zeit, Erfahrung zu sammeln, Um­­sicht zu lernen, das Einfühlungsvermögen zu verfeinern und sich Sicherheit zu erarbeiten. Ich bin heute sicherlich ein besserer Coach als vor 15 Jahren.

Max:    Sind Frauen bessere Coaches als Männer?

Fink:    Ja

Max:    Das ist jetzt aber nicht Ihr Ernst?

Fink:    Nein natürlich nicht, aber warum fragen Sie?

Max:    Ich teste, ob Sie besser kommunizieren als andere.

Fink:    Sie sind ein Spitzbube.

Max:    Das nehme ich als Kompliment, obwohl das jetzt aber sehr altmodisch war.

Fink:    Ja, o.k. … aber ich mag das Wort - es schmunzelt.

Max:    Was ist gute Kommunikation? Haben Sie Tips?


Fink:    Hm, erlauben Sie, dass ich etwas aushole …

Max:    Bitte.

Fink:    Ich habe ein Lieblingszitat, das lese ich Ihnen jetzt vor: „Wie würde ein Streit zwischen Beleg­schaft und Management ausgehen, wenn die Arbeit­­nehmer­seite den Stand­punkt der Fir­men­lei­tung, ohne ihm da­mit zuzustimmen, so genau wieder­gäbe, dass das Management diese Dar­legung akzeptieren könnte? Und wenn das Management, ohne sich den Standpunkt der an­deren zu eigen zu machen, deren Anliegen so vortrüge, dass die Belegschaft dem als kor­rekt zustimmt?  Es würde bedeuten, dass eine echte Kommunikation in Gang gesetzt wäre und eine ver­nünftige Lö­sung wahrscheinlich gefunden werden kann.“

Mich beeindrucken diese Sätze immer wieder. Denn bevor einer den Standpunkt des anderen tref­fend wiedergeben kann, muss er sehr gut zugehört und die Beweggründe des anderen sehr gut ver­standen haben. Jeder hatte also seine Aufmerksamkeit hauptsächlich beim anderen und nicht bei sich und seinen eigenen Standpunkten. Das heißt auch, dass beide Seiten vom Gegenüber sehr viel Auf­merk­­samkeit und Inte­resse erfahren haben. Und dieses Entgegenkommen – im wahrsten Sin­ne des Wortes - spüren wir. Wir werden ruhig und sicher, weil wir weniger darum kämpfen müs­sen, verstanden zu werden. Und wenn wir die Aufmerksamkeit des anderen fühlen, können wir unsere Beweggründe besser beschreiben, weil wir den Raum dafür spüren.

Zu diesem Zeitpunkt hat noch keiner den anderen von etwas überzeugt, aber man weiß voneinan­der, dass man wirklich verstanden wurde und das alles, was noch diskutiert werden muss, auf dieser Basis passieren wird. Das fühlt sich anders an. Spüren Sie es?

Max:    Ich glaube schon.

Fink:    . . .

Max:    Hat gute Kommunikation, dann mehr mit Gefühlen zu tun als mit Worten?

Fink:    Ja.

Max:    . . .

Fink:    Aber Worte sind auch sehr praktisch. Und gut gewählt tragen sie schon zum gegenseitigen Ver­ständnis bei. Eines meiner Lieblings-Unwörter, die in Organisationen verwendet werden, ist der Satz: „Wir lassen die Emotionen raus ….". Das heißt nicht etwa, „die Sau rauslassen", son­dern eher das Gegenteil. Der Satz wird gern anstelle von „wir bleiben sachlich" verwendet. Ein gesunder Mensch kann nicht nichts fühlen, folglich kann er auch nicht unemotional sein. Aber er kann sich darin üben, seine Gefühle unverfälscht wahrzunehmen und sich im Gespräch ihrer be­wusst zu sein. Wenn ich mich über eine Frage oder Bemerkung ärgere, kann ich spontan un­re­flektiert reagieren – oder ich erkenne, dass mich die Bemerkung ärgert. Wenn ich das weiß, kann ich mich entscheiden, wie ich reagiere - immer in dem Bewusstsein, dass es meinem Ge­gen­über genauso geht und ich daher mein Gegenüber auch spüren kann und nicht nur hören und sehen.

Max:     Schon beeindruckend.

Fink:    Ja, geht mir auch so - immer wieder. Ich hatte mal einen Klienten, der am Schluss lächelnd zu­sammenfasste: „Sie sagen also, ich soll die Emotionen raus lassen und die Gefühle rein nehmen." So aus dem Zusammenhang gerissen ver­steht man es vielleicht nicht ganz, aber ich hat­te damals tatsächlich einen Kloß im Hals, weil ich mich selbst so gut von meinem Klienten ver­stan­den fühlte.

Max:    Hm … das ist so ganz anders, als ich es erwartet hatte. Eigentlich wird es gerade erst spannend, aber leider muss ich jetzt zum Unterricht. Vom wem war eigentlich das Zitat?

Fink:    Carl Rogers, US-amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut und Erfinder der person­zen­trier­ten Gesprächspsycho­therapie. Er hat von 1902 bis 1987 gelebt. Ich bin person­zentrierter Coach, das ist der Zusammenhang.

Max:    Ich bedanke mich für das Gespräch.

Fink:    Ich bedanke mich auch.


Resümee:
Ein Gespräch ist eine Begegnung zwischen zweier oder mehrer Menschen, an der die Beteiligten mit Ihrer ganzen Persönlichkeit teilnehmen, z.B. frage ich Max mütterlich-humorvoll zurück „Wo fängt denn bei Ihnen „älter" an?“ oder Max kontert später schlagfertig „Das nehme ich als Kompliment, obwohl das jetzt aber sehr altmodisch war". Aber auch ohne Worte, vermitteln wir uns gegenseitig unsere Werte, Stimmungen, Erfahrungen, Ziele und Charaktereigenschaften. Diese Informationen spüren wir schneller voneinander als wir Worte und Sätze deuten oder formulieren könnten.

Ausgestattet mit dieser großen Begabung, lassen wir uns schrittweise auf neue Kontakte ein. An­fangs führen wir vielleicht eine höfliche Konversation, wie beispielsweise Max in seinem Pflichtteil  „Was macht ein Coach?" oder  „Welche Ausbildung braucht man?". Um danach die Belastbarkeit die­ser neuen Beziehung zu prüfen, Max provoziert mit „Kommunizieren Coaches besser als Ihre Klienten" oder „Sind Frauen bessere Coaches als Männer?" Und erst jetzt, wenn wir uns gegenseitig ein­schät­zen können, sind wir bereit mehr von uns zu zeigen. Max antwortet nachdenklich: „Ich glaube schon" und räumt damit auch ein, dass er sich nicht sicher ist. Oder ich erzähle ihm, dass ich immer wie­der aufs Neue von zwischenmenschlicher Kommunikation beeindruckt bin. Um dieses ernsthafte und offene Gespräch führen zu können bedurfte es der vorangegangen Gesprächsphasen. Auch Max spürt diese neue Beziehungsqualität und bedauert „Eigentlich wird es gerade erst span­nend,…". Wir würden ab sofort sehr gut zusammenarbeiten, wenn meine Aufgabe an dieser Stelle nicht abgeschlossen gewesen wäre.

Menschen die sich der Komplexität von zwischenmenschlicher Kommunikation bewusst sind und sich selbst authentisch und einfühlsam einbringen können, sind immer dort wo Menschen zu­sam­men­arbeiten erfolgreicher – also fast überall. Mit diesem abschließenden Satz, ist das Hauptziel von personzentriertem Coachingprozessen in aller Kürze beschrieben.